Von Katja Täubert, Initiative Volksentscheid Fahrrad
Jede Radfahrerin und jeder Radfahrer kennt den Frust, wenn die mit Muskelkraft erreichte Geschwindigkeit ständig an Ampeln abgebremst werden muss. Einige Strecken müssten mit übermenschlichen Zwischensprints zurückgelegt werden, will man das Warten an der nächsten Ampel und gar an der übernächsten vermeiden. An manchen Stellen dauert es Minuten, nur eine Kreuzung zu überqueren oder eine Strecke von nur wenigen Hundert Meter Länge zurückzulegen. In Berlin gibt es gerade mal einen einzigen Abschnitt, der an den Radverkehr angepasst ist.
Fortbewegung und angenehmes Ambiente – beides ist möglich
In der Stadt von gestern ging es in der Verkehrsplanung darum, wie viele Autos man durch die Stadt bewegen kann. In der Stadt von heute geht es darum, wie viele Menschen man durch die Stadt bewegen kann. Die Stadt von morgen wird entscheidend dadurch geprägt sein, wie intelligent, menschenfreundlich und fortschrittlich dies umgesetzt wird. Denn das Mobilitätsbedürfnis der Menschen nimmt weiter zu und damit auch der Anspruch an die Gestaltung des öffentlichen Raums. Diesen Raum wollen Menschen einerseits als Weg an ihr Ziel nutzen. Andererseits soll er auch als Ort zum Verweilen, Flanieren und Spielen – kurz: zum Leben – dienen. Und nicht zuletzt wirken sich öffentliche Räume auch auf die privaten aus – wenn beispielsweise im Sommer die Balkontür geschlossen bleiben muss, weil Abgase oder Lärm stören. Fortbewegung und Lebensqualität dürfen sich also nicht ausschließen. Aber nicht jede Art von Verkehr macht dies möglich.
Verkehr, der leise ist, ein persönliches Gesicht hat und direkte Kommunikation mit seinem Umfeld ermöglicht, bereichert das Leben auf der Straße. Dazu gehören zu Fuß gehen und Rad fahren. Die Grüne Welle bewegt nicht nur Menschen durch ihren Lebensraum, sondern macht ihn damit gleichzeitig für andere attraktiv.
Ist der Volksentscheid erfolgreich, sollen bis 2020 die Menschen an mindestens 50 für den Radverkehr wichtigen Abschnitten auf Grünen Wellen durch die Stadt gleiten. Morgens stadteinwärts und nachmittags stadtauswärts.
Grüne Welle für Radfahrer ist keine Science Fiction
Manche Radfahrende werden ihre Geschwindigkeit der Grünen Welle anpassen. Das macht die Geschwindigkeit gleichmäßiger und erhöht den Verkehrsfluss für alle. Schnelle Radfahrer werden etwas langsamer fahren und sehr langsame ein bisschen zügiger. Damit die Radfahrenden wissen, ob sie mit der Grünen Welle schwimmen oder ihr Tempo anpassen müssen, könnten irgendwann auch die verbleibenden Sekunden bis zum nächsten Signalwechsel auf Displays angezeigt werden, oder LEDs neben dem Radweg zeigen, ob man „auf der Welle reitet“. Besonders fortschrittliche Städte wie Kopenhagen haben das bereits umgesetzt.
Innerhalb der Grüne Welle hat der ÖPNV Vorrang in der Ampelschaltung. Außerdem sollen langsamere Fußgänger Kreuzungen künftig in Ruhe überqueren können, da das Radverkehrsgesetz längere Grünphasen für Fußgänger vorsieht. Dies ist an den meisten Ampeln heute leider nicht der Fall. Zum Vergleich: Eine herkömmliche Ampelschaltung setzt eine Gehgeschwindigkeit von 1,2 Metern pro Sekunde (m/s) voraus. Mit der neuen Schaltung wäre ein komfortables Überqueren einer Kreuzung mit 0,8 m/s möglich.
Generell ist beim Einrichten der Grünen Welle zu gewährleisten, dass die Wartezeiten vor roten Ampeln für Radfahrer und Fußgänger möglichst gering sind. Werden neue Ampeln gebaut oder Signalprogramme geändert, muss geprüft werden, ob eine Grüne Welle für den Radverkehr möglich ist. All das findet in Berlins Verkehrsplanung bisher keine Berücksichtigung.
Die Grüne Welle für den Radverkehr bringt Menschen und damit Leben auf die Straße. Sie fördert entspannte und komfortable Mobilität der Menschen – und schafft so Orte von hoher Lebensqualität.